Der Immobilienteilverkauf
„Altersfinanzierung mittels Immobilienverrentung ist eine ganz ausgezeichnete Methode für Rentnerinnen und Rentner, um das in ihrer Immobilie gebundene Eigenkapital für sich nutzbar zu machen, ohne ausziehen zu müssen.“, Boris Hardi, Mitgründer von RentePlusImmobilie.
Der Teilverkauf ist eine solche Methode. Doch was hat es mit diesem Modell auf sich, jetzt, da es von Verbraucherschützern https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/geld-versicherungen/bau-und-immobilienfinanzierung/teilverkauf-der-eigenen-immobilie-was-sind-die-haken-der-angebote-48054 und auch der Wissenschaft https://www.svr-verbraucherfragen.de/rechtsgutachten-zum-thema-teilverkaeufe-von-immobilien/ (siehe weiter unten) zum einen stark angegriffen wird, zum anderen die zweite Welle der Marktkonsolidierung durch den Wegfall des Marktführers Engel&Völkers/LiquidHome den gesamten Markt stark durchgeschüttelt hat?
Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick.
Was bedeutet Teilverkauf einer Immobilie?
Der Teilverkauf einer Immobilie ist ein Modell der Altersfinanzierung, bei dem Eigentümer einen Anteil (meist 20–50 %) an ihrem Haus oder ihrer Wohnung an einen institutionellen Investor verkaufen. Im Gegenzug erhalten sie eine sofortige Auszahlung und sichern sich gleichzeitig ein lebenslanges Nießbrauchrecht an der gesamten Immobilie. So können sie weiterhin in ihrer Immobilie wohnen, als wären sie Alleineigentümer.
Dieses Modell erfuhr in Deutschland viel Zustimmung und Nachfrage – und das aus guten Gründen:
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Keine Finanzierung durch Banken im Alter: Klassische Darlehen stehen älteren Menschen kaum mehr offen.
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Steigende Lebenshaltungskosten: Viele Rentner müssen ihre Immobilie „entsparen“, um zusätzliche Liquidität zu gewinnen.
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Wohnen bleiben statt ausziehen: Ein Verkauf mit Auszug kommt für die meisten Senioren nicht infrage – der Teilverkauf bietet eine Alternative.
Damit gilt der Teilverkauf als flexible Lösung für Immobilieneigentümer im Alter, die Kapital freisetzen wollen, ohne ihr Zuhause aufzugeben. Dabei kommt es aber auch für jüngere Eigentümer in Frage, für die klassische Modelle wie Vollverkauf mit Nießbrauch oder Wohnungsrecht aufgrund zu langer Laufzeit der Rechte und damit zu hohe Abschläge vom Kaufpreis nicht nicht in Frage kommen. Zu den Abschlägen aufgrund Eintragung von Nießbrauchs- und Wohnungsrechten: https://renteplusimmobilie.de/niessbrauch-berechnen/
Aktuelle Marktentwicklungen und Konsolidierung
Der Markt für Teilverkauf boomte in den vergangenen Jahren – inzwischen zeigt sich aber eine deutliche Konsolidierung:
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Bereits Wertfaktor und die Deutsche Teilkauf haben ihr Aktivgeschäft eingestellt.
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Im August 2025 folgte die EV LiquidHome GmbH (Engel & Völkers/LiquidHome). Laut offizieller Stellungnahme musste das Unternehmen aufgrund ausbleibender Gesellschafterfinanzierung den Teilankauf neuer Immobilien stoppen und sich auf die reine Bestandsverwaltung beschränken.
- Auch andere Marktteilnehmer kämpfen regelmäßig und ganz besonders aktuell mit der Refinanzierung ihres Modells.
Diese Entwicklung zeigt: Nur Anbieter mit tragfähigen Geschäftsmodellen und insbesondere stabiler Refinanzierung werden sich langfristig am Markt halten. Für Verbraucher bedeutet das, dass die Auswahl an seriösen Partnern kleiner wird – umso wichtiger ist es, Verträge genau zu prüfen und vor allem im Vorfeld genau zu eruieren, welches Modell überhaupt für die eigene Immobilie und Lebenssituation sinnvoll ist.
Nachteile und Risiken des Teilverkaufs für Verbraucher
So attraktiv der Teilverkauf klingt – in der Praxis treten häufig Probleme für Immobilieneigentümer auf:
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Zusätzlicher Kapitalbedarf: Viele Verkäufer möchten oder müssen nach einigen Jahren erneut Geld aus ihrer Immobilie ziehen. Die meisten Teilverkaufsverträge sehen dies jedoch nur über einen Vollverkauf vor – und damit auch den Auszug aus dem Eigenheim.
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Instandhaltungspflicht: Eigentümer bleiben häufig für die Instandhaltung der gesamten Immobilie verantwortlich. Gerade bei älteren Kaufverträgen war dies die Sandardversion des Teilkaufvertrages. Viele ältere Menschen sind damit finanziell oder organisatorisch überfordert.
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Mangelnde Aufklärung: Nicht selten wissen Verbraucher vor Vertragsabschluss nicht genau, worauf sie sich einlassen, da die Komplexität der Teilverkaufsverträge unterschätzt wird. Beratung wird nach meiner Erfahrung häufig erst im Nachgang zum Abschluss solcher Verträge in Anspruch genommen. Dann wird es in der Regel wesentlich schwieriger, Anpassungen vorzunehmen- im Zweifel sind diese einfach teuer.
Die Folge: Wer sich nicht umfassend informiert, riskiert ungewollte Verpflichtungen und Kosten.
Exkurs: Gutachten von Prof. Dr. Beate Gsell, LMU München / Prof. Dr. Markus Artz, Universität Bielefeld
Die Studie im Auftrag des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen beschäftigt sich recht akademisch mit der Bedeutung des Teilverkaufs und den Anforderungen, die an in solches Produkt zu stellen wären, um es perspektivisch standardisiert und verbraucherfreundlich anbieten zu können. Die gefundenen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Ein teures und riskantes Modell
Das Gutachten stellt klar: Der in Deutschland praktizierte Teilverkauf ist für Verbraucher ein besonders kostspieliges und kompliziertes Modell der Liquiditätsbeschaffung. Im Vergleich zu einem klassischen, tilgungsfreien und grundpfandrechtlich abgesicherten Darlehen fallen die Belastungen deutlich höher aus. Grund dafür ist vor allem der doppelte Verkauf – zunächst eines Anteils der Immobilie an den Teilkäufer und später des gesamten Objekts an einen Dritten. Dieser Konstruktionsfehler führt schon zu Beginn der Vertragslaufzeit zu einer erheblichen wirtschaftlichen Entwertung des verbleibenden Eigentums, auch wenn nach außen hin der Eindruck entsteht, dass mindestens 50 Prozent im Eigentum des Verkäufers verbleiben.
Versteckte Gefahren für Eigentümer
Neben der hohen Kostenbelastung werden im Gutachten vor allem die Risiken für Verbraucher hervorgehoben. So wird in der Regel die gesamte Immobilie mit einer Grundschuld belastet. Gerät der Teilkäufer in Insolvenz, droht die Zwangsverwertung – selbst dann, wenn der ursprüngliche Eigentümer seine Pflichten stets erfüllt hat. Hinzu kommt, dass der Teilkäufer nach Ansicht der Gutachter durch die vertraglich garantierte Mindestrückzahlung wenig Anreiz hat, sich beim späteren Gesamtverkauf intensiv für einen möglichst hohen Kaufpreis einzusetzen. Für den Teilverkäufer bedeute dies eine doppelte Unsicherheit: hohe laufende Kosten und das Risiko, dass am Ende nicht der bestmögliche Preis erzielt werde.
Juristische Einordnung als Verbraucherdarlehen
Besonders kritisch bewertet das Gutachten die rechtliche Einordnung. Der Teilverkauf trage in seiner Struktur alle wesentlichen Züge eines Immobiliar-Verbraucherdarlehens: Der Eigentümer erhält eine Auszahlung, zahlt dafür ein monatliches Nutzungsentgelt und der Teilkäufer lässt sich garantieren, dass sein eingesetztes Kapital später zurückfließt – zusätzlich zu Serviceentgelten und einer Beteiligung an möglichen Wertsteigerungen. Anders als beim echten Kaufgeschäft trägt der Teilkäufer also nicht das Risiko einer Wertminderung. Aus diesem Grund ordnet das Gutachten den Teilverkauf konsequent als Verbraucherdarlehen ein, das den strengen Vorgaben des Kreditrechts unterliegen müsse.
Umgehung gesetzlicher Schutzmechanismen
Problematisch sei insbesondere, dass die Anbieter über die Konstruktion als Kaufvertrag eine Umgehung der gesetzlichen Schutzmechanismen erreichten. Die nach dem Verbraucherkreditrecht vorgeschriebene Kreditwürdigkeitsprüfung entfällt de facto, ebenso wie die Pflicht, sämtliche Kosten transparent als effektiven Jahreszins auszuweisen. Damit können Verbraucher die tatsächliche Belastung kaum mit alternativen Modellen wie einem Bankdarlehen vergleichen.
Forderung nach gesetzlicher Klarstellung
Das Gutachten kommt daher zu dem Schluss, dass eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung dringend geboten ist. Zum einen müsse eindeutig geregelt werden, dass auch Teilkaufmodelle der Kreditwürdigkeitsprüfung unterliegen und sämtliche Kosten vor Vertragsschluss offenzulegen sind. Zum anderen sei klarzustellen, dass ältere Menschen beim Zugang zu klassischen Darlehen nicht diskriminiert werden dürfen, sofern die Rückzahlung erst nach ihrem Tod über die Immobilie erfolgt. Nur auf diese Weise ließe sich sicherstellen, dass Verbraucher Angebote effektiv vergleichen und faire Entscheidungen treffen können.
Fazit der Studie
Insgesamt wird der Teilverkauf im Gutachten als ein Modell charakterisiert, das weder dauerhaft gewollt noch für das wirtschaftliche Ergebnis sinnvoll ist. Statt Verbrauchern echte Vorteile zu bieten, erzeuge er hohe Kosten, mangelnde Transparenz und erhebliche Risiken. Für ältere Immobilieneigentümer sei er daher kaum eine empfehlenswerte Lösung, solange der Gesetzgeber nicht für klare Regeln sorgt, die ihn rechtlich und wirtschaftlich mit klassischen Finanzierungsmodellen vergleichbar machen.
Persönliche Einschätzung
Als Gründern des Beratungsunternehmens RentePlusImmobilie https://renteplusimmobilie.de habe ich Zugriff auf Erfahrungsberichte von Beratern, die seit vielen Jahren tausende von an der Verrentung Interessierten beraten haben.
Leider kommt für eine große Zahl der Interessenten ausschließlich ein Teilverkauf in Frage, weil gerade die von Verbraucherschützern viel beschworenen Immobilienkredite von Banken an ältere Menschen nicht mehr, zumindest jedoch nicht flächendeckend ausgereicht werden, sie sich aber für klassische Modelle wie Verkauf mit Nießbrauch aufgrund zu jungen Alters nicht eignen.
Die Praxis braucht also ein Modell, dass gerade Immobilieneigentümern zwischen 60 und 75 Jahren eine Alternative der Altersfinanzierung bieten kann. Der Teilverkauf stieß genau in diese Lücke und ist (zumindest noch) eine echte Lösung. Die Erfahrungsberichte der Kunden sind zum Großteil außerordentlich positiv, so dass die geäußerte Kritik eher eine formale sein dürfte- der Bedarf ist da und kann- zumindest Stand heute- flächendeckend nicht von auf dem Markt zugänglichen Alternativen gedeckt werden.
Warum anwaltliche Beratung beim Teilverkauf unverzichtbar ist
Der größte Nachteil für Verbraucher liegt meines Erachtens in der vorhandenen Wissensasymmetrie:
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Auf der einen Seite: institutionelle Investoren, die täglich Teilkäufe verhandeln und juristisch bestens aufgestellt sind.
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Auf der anderen Seite: Privatpersonen, die den Teilverkauf meist zum ersten Mal in ihrem Leben nutzen.
Ohne rechtliche, aber auch wirtschaftliche Beratung ist es schwer, die Folgen eines Teilverkaufs richtig einzuschätzen. Eine anwaltliche Begleitung ist insbesondere in folgenden Situationen dringend zu empfehlen:
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Vor Vertragsabschluss, um die Tragweite aller Klauseln zu verstehen.
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Bei zusätzlichem Kapitalbedarf, wenn ein Ausstieg droht oder angedacht ist.
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Bei Überforderung durch Instandhaltungspflichten, die aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung sehr häufig ausschließlich bei den Teilverkäufern liegt.
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Wenn ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Vertrag erwogen wird, etwa um einen Gesamtkäufer für die Immobilie zu finden, der akzeptiert, dass der Rentner/die Rentnerin die Immobilie weiter bewohnt.
Fazit: Teilverkauf nur mit anwaltlicher Begleitung
Der Teilverkauf von Immobilien kann eine wertvolle Möglichkeit sein, Vermögen zu nutzen und dennoch im Eigenheim wohnen zu bleiben. Angesichts der aktuellen Marktkonsolidierung und der zahlreichen rechtlichen Fallstricke gilt jedoch: Ohne fundierte anwaltliche Beratung sollte kein Teilverkaufsvertrag abgeschlossen oder beendet werden.